Sind 27 Prozent Grundeinkommensbefürworter in Deutschlands Bevölkerung „wenig“ oder „viel“? Eine Antwortsuche in der Geschichte des Christentums

In einer Pressemitteilungvon Gruner+Jahr vom 14.11.2011 heißt es zu den Ergebnissen einer vom Nachrichtenmagazin Stern in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa unter Bundesbürgern:

„Wenig Anklang in der Bevölkerung findet ein staatlich garantiertes Grundeinkommen, wie es die Piratenpartei kürzlich auf ihrem Bundesparteitag beschlossen hat. Nur 27 Prozent der Bundesbürger unterstützen laut der stern-Umfrage diese Forderung. Auch bei den Wählern der Piraten halten das lediglich 32 Prozent für eine gute Idee.“

Ist diese Einschätzung, wonach 27 Prozent Grundeinkommensbefürworter in Deutschlands Bevölkerung „wenig“ seien, realistisch? Das hängt vom Betrachtungswinkel ab.

Pflegt man eine statische Betrachtung und legt dabei als Maßstab die Frage zugrunde, ob das bedingungslose Grundeinkommen aktuell die zu seiner politischen Verwirklichung erforderliche mehrheitliche Unterstützung in der Bevölkerung und im Parlament findet, ist die Einschätzung natürlich zutreffend. Zu welchem Ergebnis gelangt man aber, wenn man eine weniger auf das Hier und Jetzt der aktuellen politischen Realisierbarkeit fixierte „positivistische“ Betrachtung an den Tag legt, die dynamische Aspekte berücksichtigt? Dieser Frage möchte ich ein paar Zeilen widmen und mir dabei Forschungen des renommierten amerikanischen Religionssoziologen Rodney Stark zunutze machen, die sich auf die Dynamik der Verbreitung neuer religiöser Ideen richten. Im Hinblick auf die Entwicklung der Unterstützung der Grundeinkommensidee in der deutschen Bevölkerung erweisen sich diese Forschungen als recht aufschlussreich und anregend. Es zeigt sich auch immer wieder, dass die über alle Parteiungen, Lagerbildungen und Interessengegensätze hinweggehende, polarisierende Wirkung des Grundeinkommensvorschlags besonders damit zu tun hat, dass die Ebene fundamentaler Wertbindungen und damit verbundener „religiöser“ (oder auch säkularer) Ideen berührt wird. Insofern ist der Vergleich mit der Geschichte religiöser Ideen nicht so abwegig, wie es vielleicht auf den ersten Blick scheinen mag.

Rodney Stark hat ursprünglich die dynamische Verbreitung religiöser Ideen im Verlaufe des 20. Jahrhunderts studiert und dabei auf ein reichhaltiges Quellenmaterial zurückgreifen können. Später hat er dann die dabei gewonnenen Einsichten dazu verwendet, auch den geschichtlich sehr viel weiter zurückliegenden Prozess der Entstehung des Christentums zu untersuchen. Diese Studie lohnt den Vergleich, wie noch deutlich werden soll – aber natürlich nicht deswegen, weil die kulturgeschichtlichen Dimensionen miteinander vergleichbar wären; die Entstehung und Geschichte des Christentums ist selbstverständlich ein sehr viel umfassenderer, komplexerer Prozess als die der Grundeinkommensdiskussion.

Den Plot zu der äußerst instruktiven Studie von Rodney Stark bildete die gelegentlich von Historikern erhobene Behauptung, die erstaunlich schnelle und dynamische Verbreitung des Christentums in den Jahrhunderten nach Christi Geburt im Mittelmeerraum bis zur Deklaration als römische Staatsreligion unter Kaiser Theodosius I. im Jahr 380 n.Chr. sei nur durch (wundersame) Massenbekehrungen erklärbar nach dem Muster einer Bergpredigt vor großem Publikum, das daraufhin mehr oder weniger komplett konvertiert. Starks Studie zeigt auf überzeugende, aufklärerische Weise, dass das nicht stimmt. Die im Rückblick rasant wirkende Verbreitung des Christentums ist viel nüchterner zu erklären, und dabei halfen ihm seine früheren Forschungen, z. B. zum enormen Missionserfolg der Mormonensekte im 20. Jahrhundert (vgl. Stark 2005). Betrachtet man sich nämlich die Verbreitung religiöser Ideen aus der Nähe, dann zeigt sich, dass sie überwiegend über dauerhafte, verbindliche Nahbeziehungen erfolgt: durch das Bohren dicker Bretter in der Überzeugung derjenigen, mit denen man fest verbunden ist und zusammenlebt. So ist es z. B. so, dass die in den USA verbreiteten Fernsehprediger („Teleevangelisten“) zwar via TV zu Massenbekehrungen aufrufen und ihren Missionserfolg dann auch gerne mit zugesandten Postkarten („Ja, ich habe mich Jesus verschrieben“) öffentlich „belegen“, aber die angeblich Neubekehrten sind, wenn man das näher untersucht, zum größten Teil schon längst vorher bekehrt worden und haben sich lediglich zu einer Auffrischung oder neuen Spielart ihres Glaubens erwecken lassen. Die eigentliche Überzeugung und Prägung ihrer Orientierung erfolgte meist im Kreise ihrer Familien, Verwandten und Freunde.

Warum ist das so? Natürlich gibt es auch Fälle, die sich wegen ihrer großen Neugier und Offenheit allein aufgrund der Predigt eines Fremden via Fernsehen oder durch die Lektüre eines Buches und ähnlichem zu einer neuen Wertbindung bewegen lassen. Und solche Fälle sind auch in ihrer initiatorischen Funktion für die Verbreitung „religiöser“ Ideen ganz entscheidend. Sie sind aber zahlenmäßig meist nicht so bedeutend. Denn dazu bedarf es einer erheblichen Muße, die im Erwachsenenleben in der Regel nur sehr beschränkt verfügbar ist – zumindest galt das bislang. Und es gibt auch nur eine begrenzte Zahl von Menschen, die als Erwachsene charakterlich neugierig geblieben sind. Der statistische Normalfall ist deswegen meist, dass man sich erst mit einer Idee wirklich auseinandersetzt, wenn sie durch nahestehende Personen in das eigene Lebensumfeld eindringt, sodass man um eine Auseinandersetzung kaum noch herumkommt. Diese strukturelle Erklärung findet man übrigens bei Rodney Stark nicht mehr, der sich darauf beschränkt, seinen Forschungsbefund vergleichsweise vage als eine Verbreitung religiöser Ideen über „Netzwerkstrukturen“ zusammenzufassen.

Damit diese Verbreitung funktioniert, bedarf es zumindest ein paar neugieriger Menschen, die gewissermaßen als Brückenköpfe in die alltägliche Lebenswelt mit ihren Verwandtschafts- und Freundeskreisen hineinwirken. Diese Neugierigen setzen sich nicht nur aus ein paar charakterlich neugierig geblieben Erwachsenen zusammen und einigen berufsmäßig Neugierigen wie Künstlern, Wissenschaftlern und ähnlichem. Ganz entscheidend ist die „Jugend“, die über die Generationenabfolge erheblich zur Verbreitung neuer Ideen beiträgt und einen zentralen, in die Gesellschaft eingebauten Mechanismus der Entstehung und Verbreitung des Neuen repräsentiert. Das gilt umso mehr, je größer das von der Gesellschaft der Jugend zugestandene adoleszente Bildungsmoratorium ist, das eine Verfügbarkeit von Muße bedeutet: sich unter der Bedingung der Entlastung von praktischen Bewährungsaufgaben mit Dingen um ihrer selbst willen beschäftigen zu können bzw. Dinge ausprobieren zu können.

Rodney Stark hat zusätzlich noch darauf hingewiesen, dass auch „die Frauen“ einen großen Beitrag zur Verbreitung neuer religiöser oder anderer Ideen leisten würden bzw. dass die Verbreitung des Christentums im Römischen Reich besonders auch über diese lief, ähnlich wie es im berühmten Hollywood-Film „Quo vadis“ mit Peter Ustinov als Nero dargestellt wird, wo sich der etwas bornierte, aber die christliche Staatsgeisel Lygia leidenschaftlich liebende römische General Marcus Vinicius vor diesem Hintergrund auch mit deren christlicher Überzeugung auseinandersetzt und dieser gegenüber allmählich öffnet. Es gibt auch Studien zur Geschichte der Wählerschaft der Grünen, die zeigen, dass die allmähliche Zuwendung zu dieser Partei etwa von Teilen der Wohlstandmilieus im Frankfurter Speckgürtel (Bad Homburg, Kronberg usw.) in Laufe der 1980er und 1990er-Jahren typischerweise über die Ehegattinnen verlief. Man kann hier nur vermuten, dass dies wahrscheinlich etwas mit den größeren strukturellen Mußepotentialen der wohlhabenden „Hausfrauenexistenz“ zu tun hat, die in solchen Kreisen zum betreffenden Zeitpunkt im Sinne der traditionellen Rollenteilung noch der Normalfall war.

Ein weiterer wichtiger Faktor der Verbreitung sind in historischer Perspektive „Propheten“, in zeitgenössischer ihre Nachfolger, die „Intellektuellen“, die mit dem zwanglosen Zwang des besseren Arguments im Medium der politischen Öffentlichkeit mit ihrer gebildeten und argumentationsgewandten Stimme neue Gesellschaftsentwürfe propagieren und vertreten. In der heutigen Grundeinkommensdiskussion nimmt der Unternehmer Götz W. Werner diese grundlegende Funktion an vorderster Stelle wahr. Das ist alles andere als selbstverständlich, denn in der Vergangenheit waren die klassischen Intellektuellen nicht zufällig Schriftsteller, Wissenschaftler usw., also Personen, die qua Beruf über eine besondere Erkenntnis- und Argumentationsfähigkeit verfügten und im Hinblick auf politische Interessenlager eine relativ unabhängige Position hatten und auch pflegten. Diesbezüglich steckt Werner in einer gewissen Zwickmühle, die sich immer wieder darin äußert, dass sein Eintreten für ein Grundeinkommen bei einigen schon allein wegen des Unternehmertums (also seiner Zugehörigkeit zur „Kapitalseite“ im Interessengegensatz von „Kapital“ und „Arbeit“) für ein tiefes Misstrauen sorgt, was dann nicht selten zu hanebüchenen Unterstellungen führt, gegen die sich Werner aber, das zeigt sich immer wieder, in seiner Position schlecht wehren kann (aktuelle Beispiele: hier und hier). Allerdings ist es eben kein Zufall, dass Werner und kein Schriftsteller, Wissenschaftler oder Künstler zur prophetischen Speerspitze der Grundeinkommensbewegung geworden ist. Denn vor dem Hintergrund des seit den 1990er-Jahren durch und durch „verbetriebswirtschaftlichten“ Zeitgeistes (Oevermann), der manchmal mit dem etwas irreführenden Label „Neoliberalismus“ belegt wird, finden Personen, die nicht nach den Kriterien dieses Zeitgeistes sich bewährt haben und ausgewiesen sind, kaum Gehör. Sie finden einfach nicht die nötige Vorakzeptanz und den Kredit, um eine nennenswerte Zuhörerschaft zu finden, wohingegen der Umstand, dass ein Unternehmer für ein Grundeinkommen eintritt, bei den Medien bezeichnenderweise sogar für Sensationsinteresse sorgt. Offensichtlich bedarf es also unter den besonderen Umständen unserer Zeit eines Unternehmers, um den verbetriebswirtschaftlichten Diskurs von Innen aufzuknacken.

Intellektuelle liefern den Neugierigen und den anderweitig in eine Auseinandersetzung hineingezogenen gewissermaßen den zu verdauenden geistigen Stoff, womit wir bei einem weiteren wichtigen Punkt sind:

Die ganze Dynamik der Verbreitung funktioniert natürlich nur, wenn religiöse Ideen tatsächlich einen substanziellen „Appeal“ haben und tragfähige Lösungen für ungelöste Probleme in Aussicht stellen. Ist das nicht der Fall, werden sie, sobald die Menschen Zeit und Muße haben, sich näher mit ihnen zu beschäftigen, aussortiert und fallen gelassen. Rodney Stark findet in seiner Studie handfeste Gründe dafür, warum das Christentum in der Konkurrenz mit dem römischen Polytheismus attraktiv wirkte: z. B. weil es in seiner Lehre von der Nächstenliebe seine Anhänger dazu motivieren konnte, bei den damals so verbreiteten und bedrohlichen Seuchen nicht einfach wegzulaufen und die erkrankten Opfer ohne Pflege sich selbst zu überlassen, sondern vielmehr zur aufopferungsvollen Hilfe veranlasste, was enorme epidemiologische Vorteile hatte, die zu anschaulichen Erfolgen führten und Wasser auf die Mühlen der christlichen Missionare waren. Auch beim Grundeinkommensvorschlag bedarf es, damit die Dynamik der Verbreitung befeuert wird, immer wieder gesellschaftlicher Anlässe bzw. der Krisenphänomene, die solche Evidenzerfahrungen zu erzeugen bzw. zu erneuern vermögen.

Kommen wir wieder zurück zu den eingangs erwähnten 27 Prozent Befürwortern eines Grundeinkommens in der deutschen Bevölkerung Ende des Jahres 2011. Sollte das Grundeinkommen tatsächlich eine Idee mit schlagender Überzeugungskraft sein, zeigt ein einfacher Vergleich, dass wir eigentlich nicht mehr weit von seiner politischen Durchsetzung entfernt sein können. Vergleichen wir trotz der Dimensionsunterschiede die heutige Lage der Grundeinkommensdiskussion mit der zahlenmäßigen Verbreitung des Christentums in den ersten Jahrhunderten, so wie sie Rodney Stark auf Basis von Grabsteinzählungen u. a. präsentiert.

Tabelle 1: Christliches Wachstum bei einer jährlichen Rate von 3,4 Prozent
 
Jahr
Zahl der Christen
% der Bevölkerung
40
1.000
50
1.397
100
7.434
150
39.560
0,07
180
107.863
0,18
200
210.516
0,35
250
1.120.246
1,90
300
5.961.290
9,90
312
8.904.032
14,80
350
31.722.489
52,90
Auf Grundlage einer Schätzung der Bevölkerung des römischen Reiches auf 60 Millionen
Sämtliche Zahlen in Tabelle 1 stammen aus: Rodney Stark (2007): Discovering God. The Origins of the
Great Religions and the Evolution of Belief.
New York: HarperOne
 

Wie man nicht zuletzt anhand der Prozentspalte sehen kann, dauerte es sehr lange, bis die Verbreitung christlicher Überzeugungen in der Bevölkerung des Römischen Reiches zahlenmäßig ein Ausmaß annahm, das wirklich ins Gewicht fiel. Es dauerte 350 Jahre, bis das Christentum die 50 Prozent überschritt. Der Anteil blieb die ersten 250 Jahre trotz eines stetigen Zuwachses im Ergebnis marginal klein. Und in den letzten 50 Jahren ging dann alles sehr schnell. Im Jahr 313 hieb Kaiser Konstantin der Große angesichts des schon fast 15 Prozent ausmachenden Anteils an Christen das Verbot dieser Religion auf. Im Jahr 350 waren ihre Anhänger aber schon in der absoluten Mehrheit mit mehr als der Hälfte der Bevölkerung und wurde sie im Jahr 380 durch Kaiser Theodosius I. schließlich zur Staatsreligion erklärt. Was können wir daraus im Hinblick auf unser Thema lernen? Schauen wir uns dazu die Zahlen nochmals als Graphik an:

Abbildung 1: Die 27 Prozentmarke im Kontext einer exponentiellen Wachstumskurve

Wie man in der Grafik noch besser sieht, ist das Wachstum exponentiell. Und das liegt in der Natur der Sache. Es erklärt sich durch den Mechanismus einer Verbreitung über „Netzwerkstrukturen“, der den Löwenanteil ausmacht. Eine solche Verbreitung dauert seine Zeit, aber ihr Effekt steigert sich enorm, weil mit jeder Verbreitung die Zahl der dann parallel verlaufenden Verbreitungsprozesse zunimmt, sodass der Gesamteffekt exponentiell anwächst. Die Verbreitung des Christentums brauchte dementsprechend einen langen Anlauf, aber am Ende ging alles sehr flott. Sollte das Grundeinkommen tatsächlich, wie seine Befürworter immer wieder behaupten, eine „Idee sein, deren Zeit gekommen ist“, dann lehren uns die Erkenntnisse aus der Forschung zur Verbreitung religiöser Ideen, das die Verbreitung mit 27 Prozent Grundeinkommensbefürwortern in der Bevölkerung bereits als sehr weit fortgeschritten anzusehen wäre, zumal der Prozentsatz an Befürwortern in der Bevölkerung in den 1980er Jahren, in denen es bereits eine erste Konjunktur der Grundeinkommensdiskussion im Umfeld des Bamberger Soziologentags von 1982 zur „Krise der Arbeitsgesellschaft“, der Partei der Grünen und der Arbeitsloseninitiativen gegeben hat, mit Sicherheit marginal war und bis heute stetig zugenommen hat. Wie die obige Grafik darstellt, wurde die 27 Prozentmarke in der Geschichte des Christentums unter historisch völlig anderen und denkbar ungünstigeren Bedingungen wahrscheinlich nur zwanzig Jahre vor dem Erreichen der 50 Prozentmarke passiert! (Diese Schätzung ergibt sich, wenn man die von Rodney Stark berechneten Prozentanteile zu verschiedenen Zeitpunkten zu einer Trendkurve verbindet.) Man muss in der Gegenwart angesichts der Massenmedien und verschiedener anderer Fortschritte natürlich davon ausgehen, dass sich religiöse Ideen schneller als vor 2000 Jahren verbreiten, vermutlich sogar sehr viel schneller.

Allerdings lassen sich Generationenprägungen auch heute nicht so ohne Weiteres einfach aushebeln und der erneuernde Rhythmus der Generationenabfolge überspringen. Unübersehbar ist aber das folgende. Es wächst eine junge Generation heran, deren objektive Lage nicht nur in verschiedener Hinsicht den Grundeinkommensvorschlag attraktiv erscheinen lässt (Stichworte: Generation Praktikum, Jugendarbeitslosigkeit in Europa und in der Welt, Zerstörung von Freiräumen der Bildung, prekäre Aussicht der Alterssicherung). Deren politisch engagierter Teil spricht sich auch bereits heute zu einem hohen Anteil für ein Grundeinkommen aus. So hat die Junge Union, die Jugend der CDU, nach Kräften den Bürgergeldvorschlag des früheren thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus unterstützt. Die Jugend der Grünen ist zum überwiegenden Teil auf Grundeinkommenskurs, und auf dem Grünen-Parteitag von 2007, als der Vorschlag zur Entscheidung stand und immerhin 40 Prozent errang, war es vor allem das mit den Hartz IV-Gesetzen und dem Konzept des „aktivierenden Sozialstaats“ verwobene alte Parteiestablishment, das eine deutliche Mehrheit pro Grundeinkommen verhinderte. Nun gibt es sogar eine neue Parlamentspartei, die Piraten, die als erste das Grundeinkommen in ihr Wahlprogramm aufgenommen hat und unübersehbar vor allem von Angehörigen der jungen Generation getragen wird. Die Verdi-Jugend treibt die Diskussion in den Gewerkschaften voran. Der BDKJ (Bund der Deutschen Katholischen Jugend) hat sich für ein Grundeinkommen ausgesprochen, um nur einige aufsehenerregende Beispiele zu nennen. Ähnlich wie die aktivierende Arbeitsmarktpolitik in ihren geistigen Grundlagen vor allem ein Projekt der 1968er-Generation und der ihr nachfolgenden Generationen ist (näheres dazu siehe Franzmann 2010) und mit der Wahl von Gerhard Schröder zum Bundeskanzler politisch durchgesetzt wurde, so wird vielleicht auch schon mit der Wahl eines Kanzlers aus der heutigen Jugendgeneration das Grundeinkommen eingeführt.

Literatur:  

Franzmann, Manuel (2010): „Einleitung. Kulturelle Abwehrformationen gegen die »Krise der Arbeitsgesellschaft« und ihre Lösung: Die Demokratisierung der geistesaristokratischen Muße“. in: Manuel Franzmann (Hrsg.), Bedingungsloses Grundeinkommen als Antwort auf die Krise der Arbeitsgesellschaft. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft, S. 11-103, URL: http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2010/7436/

Haigner, Stefan D.; Jenewein, Stefan; Schneider, Friedrich & Wakolbinger, Florian (2010): Bedingungsloses Grundeinkommen. Eine Studie der Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung mbH. Innsbruck: Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung mbH [Die durch Götz W. Werner finanzierte Studie fasst Ergebnisse einer Bevölkerungsumfrage zum Grundeinkommensvorschlag aus dem Jahr 2010 zusammen]

Stark, Rodney (1997): Der Aufstieg des Christentums. Neue Erkenntnisse aus soziologischer Sicht. Weinheim: Beltz Athenäum

Stark, Rodney (1997): The Rise of Christianity. How the Obscure, Marginal Jesus Movement Became the Dominant Religious Force in the Western World in a Few Centuries. San Francisco: HarperSanFrancisco

Stark, Rodney (2005): The Rise of Mormonism. New York: Columbia University Press

Stark, Rodney (2007): Discovering God. The Origins of the Great Religions and the Evolution of Belief. New York: HarperOne

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