Was wird nun aus dem „Solidarischen Bürgergeld“?

Diese Frage stellt sich für Grundeinkommensbefürworter zur Zeit besonders angesichts des Rücktritts von Dieter Althaus als Thüringischer Ministerpräsident. Sie stellt sich gleichermaßen für dezidierte Gegner seines Bürgergelds wie für dessen Parteigänger und für konstruktiv-kritische Distanz Wahrende – wenn auch sicherlich aus unterschiedlichen Gründen.

Aus einer übergreifenden Perspektive muss man sagen, dass sein Bürgergeldvorstoß und -engagement bei aller angebrachten Kritik für die allgemeine Grundeinkommensdiskussion sehr wichtig war und ist, denn bei einer derart grundlegenden Gesellschaftsreform, wie sie ein bedingungsloses Grundeinkommen darstellen würde, ist schlechterdings nicht vorstellbar, dass sie allein von einem Teil des politischen Spektrums getragen und durchgesetzt werden kann. Dafür geht die Reform zu sehr an das bisherige ethische Fundament unseres Gemeinwesens. Althaus hat die Grundeinkommensdiskussion im konservativ-bürgerlichen Lager erstaunlich weit voran gebracht. Und auch wenn etwa die geringe Höhe seines Bürgergelds und sein Finanzierungsansatz verständlicherweise Kritik hervorrufen, so wird doch von niemandem bestritten, dass sein Bürgergeld im Kern ein bedingungsloses ist. Er trägt mit diesem also den so umstrittenen wie zentralen Gedanken der Bedingungslosigkeit in die Diskussionen seines politischen Lagers hinein. Das sollte man in seiner Bedeutung nicht unterschätzen.

Da Althaus die politische Bühne vorerst verlassen hat, ist erst einmal offen, was nun aus seinem Reformvorschlag wird. Natürlich ist vorstellbar, dass er demnächst in anderer Funktion wieder in die Politik zurückkehrt. So wurde bereits spekuliert, ob er in einem Kabinett Merkel womöglich Arbeitsminister oder Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Länder u.ä. würde. Aber das ist natürlich derzeit alles andere als ausgemacht. Es ist im Moment genauso offen, welchen Weg Althaus nach seinem Skiunfall, einem ungeschickten und fragwürdigen Umgang mit seiner diesbezüglichen Verstrickung im Wahlkampf und der sicherlich auch aus diesem Grunde verlorenen Wahl überhaupt für sich anstrebt.

Zumindest in einer Hinsicht dürfte jedoch eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehen: Den Vorsitz der zu seinem Bürgergeld gebildeten CDU-Kommission wird er sicherlich weiterführen oder zumindest durch Delegation dafür sorgen, dass die Kommissionsarbeit zu Ende geführt werden kann, zumal ihm das Projekt offenkundig wichtig ist. Selbst wenn er sich also dazu entschlösse, nach den einschneidenden Ereignissen der letzten Monate erst einmal eine politische Auszeit zur persönlichen Aufarbeitung einzulegen, stünde die Arbeit der Kommission wohl kaum zur Disposition – es sei denn es käme zu einer Konstellation, in der die Kommissionsarbeit der Politik der CDU und der Bundesregierung derart in die Quere käme, dass sie gewissermaßen von Oben vorzeitig beendet, verschoben bzw. das Ergebnis unter Verschluss gehalten würde.

Vor seinem Skiunfall hat Althaus in der Kommission einiges eingeleitet, das noch zum Abschluss zu bringen ist, wie aus dem nachfolgenden Video hervorgeht, das unter seinem Namen bei Youtube angeboten wird. Ich habe die betreffende Passage transkribiert und im folgenden abschnittsweise dokumentiert sowie kommentiert, da sie eine Ahnung davon liefert, welche Zukunft dem Bürgergeldvorschlag wohl in nächster Zeit beschieden sein wird. Sie ist davon abgesehen auch in anderer Hinsicht aufschlussreich.

Das Youtube-Video, das die nachfolgend dokumentierte Passage enthält:

Quelle: http://www.youtube.com/watch?v=T2Kvag88BrE&feature=channel_page

Im Vorspann des ersten Teils der Videoserie, zu der der obige Teil 6 gehört,  steht folgender Text:

„Auf Einladung des Landtagsabgeordneten und Mitglied der CDU, Herrn Gerhard Günther, fand im ‚Dr. Max Näder Gymnasium‘ Königsee ein Bürgerforum zum Thema: ‚Das solidarische Bürgergeld‘ statt. Gastredner war der Ministerpräsident des Freistaates Thüringen Herr Dieter Althaus“

Daraus geht leider nicht hervor, an welchem Tag der Vortrag gehalten wurde. Das Video wurde bei Youtube am 20. Oktober 2008 eingestellt. Der Vortrag muss also irgendwann davor gehalten worden sein. Der Abspann im letzten Teil der Videoserie enthält einen Hinweis. Es steht dort die Information:

„ein Filmbericht von Lother Jäger – jägervideo 5/2008“

Dies legt nahe, dass Althaus‘ Vortrag schon im Mai 2008 stattgefunden hat.

Die im folgenden dokumentierte und kommentierte Passage steht am Beginn der Diskussion, die nach Althaus‘ langem Vortrag zum Solidarischen Bürgergeld (Videos Teil 1 bis 6) stattgefunden hat. Bei der nachfolgenden Frage handelt es sich um die erste Frage eines Bürgers aus dem Auditorium zu Beginn dieser Diskussion.

Bürger:
Ist das ganze System schon durchgerechnet?

Althaus:
Also es gibt zwei Institute, die gerechnet haben, das HWWI – das Hamburger Weltwirtschaftsinstitut – und die Fachhochschule Jena. Die haben beide positive Rechnungen gemacht. …

Offensichtlich bezieht sich Althaus hier auf die folgenden beiden Studien, die von Wissenschaftlern erstellt wurden, die auch schon vor ihren Berechnungen dem Grundeinkommensvorschlag wohlwollend gegenüber standen:

Während Prof. Dr. Thomas Straubhaar (Direktor des HWWI und Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftspolitik an der Hamburger Universität) der FDP erklärtermaßen politisch nahe steht, sind PD. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn und Prof. Dr. Michael Opielka aktiver bzw. ehemals aktiver Grünen-Politiker. Während also Straubhaar im weiteren Sinne dem gleichen Lager wie Althaus zuzurechnen ist, dem klassischen „bürgerlichen Lager“, gehören Strengmann-Kuhn und Opielka einem grundsätzlich anderen politischem Spektrum an, auch wenn es sicherlich richtig ist, dass die Grünen eine starke Verankerung im „bürgerlichen Milieu“ haben. Beide haben ihr Gutachten zu Althaus‘ Solidarischem Bürgergeld im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung erstellt. Trotzdem kann man sie als Grüne natürlich nicht zu Althaus‘ politischem Lager rechnen. Sie teilen lediglich mit Althaus das Wohlwollen gegenüber dem Grundeinkommensvorschlag und haben sich sicherlich vor allem aus diesem Grund zum Gutachten bereit erklärt.

Althaus:
… Und jetzt habe ich, weil ich ja eine Kommission auf Bundesebene leite, die sich mit dem Thema befasst, erreicht, dass sich übergreifend über fünf Wirtschaftsforschungs- und Arbeitsmarktforschungsinstitute äh mit dem Thema befasst wird. Da wird also sowohl das DIW in Köln wie das ähm IZA und andere Institute dabei sein, auch ein Vertreter des Sachverständigenrates. …

Das klingt ganz danach, dass im Unterschied zu den oben genannten beiden Studien, die eigentlich weniger von Instituten als von Einzelwissenschaftlern erstellt wurden, eine Untersuchung in einem größeren institutionellen Kooperationsverbund durchgeführt wird. Die neue Studie wird demnach auf einer sehr viel breiteren wissenschaftlichen Basis stehen und daher höchstwahrscheinlich auch regelrechte Grundeinkommensskeptiker einbeziehen. Man darf gespannt sein, wie es den an der Studie beteiligten Wissenschaftlern gelingt, die sicherlich sehr weit auseinandergehenden „Voreinstellungen“ zum Grundeinkommen wissenschaftlich miteinander zu vermitteln. Das kann sicherlich nur dann fruchtbar gelingen, wenn die bei den beteiligten Personen im Spiel befindlichen differierenden Werthaltungen und ethischen Grundüberzeugungen, die erfahrungsgemäß gerade beim Thema Grundeinkommen den unvoreingenommenen Blick stark trüben können, bewusst gemacht, artikuliert und im Sinne von Max Webers Wertfreiheitsgebot wissenschaftlich unter Kontrolle gebracht werden. Es ist ein Kennzeichne der Grundeinkommensdiskussion, dass in ihr sehr elementare ethische Grundüberzeugungen und Werthaltungen berührt werden, und es kommt alles darauf an, dass diese offen artikuliert und zur Diskussion gestellt werden, damit es nicht, wie das in der Vergangenheit oft der Fall war, zu einer Spiegelfechterei kommt, in der sich Werthaltungen hinter der Autorität scheinbar wissenschaftlicher Argumentation verstecken. Die an der Studie beteiligten Wissenschaftler stehen daher vor einer großen Herausforderung, die weit über das hinausgeht, was Wirtschafts- und Arbeitsmarktforschungsinstitute sonst zu leisten haben.
Von den erwähnten „über fünf Wirtschaftsforschungs- und Arbeitsmarktforschungsinstituten“ nennt Althaus zwei beim Namen. Das 1925 gegründete DIW (Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin) ist das größte deutsche Wirtschaftsforschungsinstitut, das gemeinsam mit weiteren fünf großen Instituten regelmäßig im Frühjahr und Herbst eine vielbeachtete Konjunkturprognose veröffentlicht. Ihm wird von allen großen unabhängigen Wirtschaftsforschungsinstituten die größte Nähe zu den Gewerkschaften nachgesagt und eine Verbundenheit zur Denkschule des Wissenschaftlers Keynes. Das IZA (Institut zur Zukunft der Arbeit, Bonn) wurde erst 1998 von der Deutschen Post AG als gemeinnützige GmbH gegründet. Präsident des DIW und Direktor des IZA ist Klaus F. Zimmermann. Über diese Personalie gibt es also eine Verbindung zwischen beiden Instituten. Dass Althaus von den „über fünf“ erwähnten Instituten diese zwei hervorhebt, muss einen Grund haben. So ist vorstellbar, dass Klaus F. Zimmermann bei der Durchführung der Simulationsrechnungen eine leitende Rolle übernommen hat und die von ihm geleiteten beiden Institute im institutionellen Kooperationsverbund die Arbeit aller am Verbund beteiligten Institute und Wissenschaftler koordinieren. Klaus F. Zimmermann hat sich bereits gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen ausgesprochen, das er unangemessenerweise mit Kombilohnmodellen weitestgehend gleichsetzt. Er betont zudem das Prinzip der Gegenleistung bei staatlichen Unterstützungszahlungen. Vor diesem Hintergrund ist nicht überraschend, dass das von ihm geleitete IZA eine unterstützende Stellungnahme zum vergleichsweise rigide am Workfare-Gedanken orientierten Bürgerarbeitsmodell des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (unter Michael Glos) verfasst hat. Man darf gespannt sein, ob und wie stark diese Perspektive die von der CDU-Kommission zum Solidarischen Bürgergeld in Auftrag gegebenen Simulationsrechnungen dominieren wird.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat sich ebenfalls bereits im viertel Kapitel seines Jahresgutachtens 2007/08 unter Punkt V. ablehnend zum Solidarischen Bürgergeld und bedingungslosen Grundeinkommen geäußert, was seinerseits auf Kritik bei Strengmann-Kuhn, Opielka und Straubhaar stieß (siehe z.B.: 12 ), deren Studien Gegenstand der Ausführungen des Sachverständigenrates war.

Althaus:
… Und die werden jetzt im Laufe dieses Jahres bis in das nächste Jahr hinein äh Simulationsrechnungen machen. Denn sehr viel muss man ja auch simulieren, was gibt es dann für Einnahmeeffekte, für Ausgabeeffekte, um dann auch Umsetzungsstrategien zu entwickeln. In der Arbeitsgruppe, das kann ich vielleicht gleich anfügen, ist ein zweiter Arbeitskreis, der überprüft, wie kann man das umsetzen, auch rechtlich, in welchen Schritten. Gibt es so diesen großen Wurf oder könnte man sich auch vorstellen, dass man einzelne Teile umsetzt, zum Beispiel im Bereich ich sage mal Hartz IV, also den, der kein Zugang im Moment hat. Oder könnte man es anfangen ähm sozusagen in der Ausbildung, also bei den Heranwachsenden. Und ein dritter, eine dritte Gruppe beschäftigt sich mit den sozialethischen Grundlagen, also dem, was ich heute ein bisschen kurz nur gestreift habe. Stimmt das alles auch mit dem Menschenbild, das wir haben, mit der sozialethischen Überzeugung überein. Das Ziel besteht, das diese Gruppe dann im Laufe des nächsten Jahres zu einem Endergebnis kommt, um es dann auch in die politische äh Entscheidungsdiskussion einzubringen. …

Das erwähnte „nächste Jahr“ ist mit diesem Jahr schon beinahe abgelaufen. Womöglich sind die Simulationsrechnungen bereits abgeschlossen und wurde die Veröffentlichung der Ergebnisse wegen Althaus‘ Skiunfall oder dem Thüringischen Wahlkampf bzw. dem Bundeswahlkampf verschoben. Vielleicht gab es aber auch bei der Durchführung und bei der internen Diskussion über die Bewertung der Ergebnisse einen zeitlichen Verzug. Mit einer Veröffentlichung ist in jedem Fall erst im nächsten Jahr zu rechnen, wenn die Bildung einer neuen Bundesregierung abgeschlossen ist. Selbst wenn bei den Berechnungen und vor allem bei ihrer Bewertung ablehnende ethische Werthaltungen eine fragwürdige Verzerrung zur Folge haben sollten, womit durchaus zu rechnen ist, so ist Althaus‘ Erfolg, „über fünf Institute“ zu einer Simulationsrechnung zu bewegen, ausgesprochen verdienstvoll. Denn nun werden sich auch wahrscheinlich zum Teil sehr skeptische Experten mit ausführlichen Simulationsrechnungen sehr viel stärker als bislang exponieren, und damit machen sie sich diskursiv auch angreifbarer als in der Vergangenheit. Für die Befürworter eines Grundeinkommens liefert dies eine Chance, ihre Position im Streit der Argumente zu profilieren. Mit welchem Ergebnis auch immer die Kommissionsarbeit beendet werden wird, die Grundeinkommensdiskussion kann davon nur profitieren.

Althaus:
… Es gibt, wenn man das politisch sieht, Unterstützung in der FDP. Die haben einen Unterschied, der zentral ist, aber der überbrückbar ist. Das ist die Bedingungslosigkeit. Ich könnte mir vorstellen, das man dort als Lösungsvariante sagt, an die Stelle der Bedingungslosigkeit setze ich einen aktiven Akt, das heißt, ich ertüchtige die Arbeitgeber, die Gesundheits- und Pflegeprämie auszuzahlen, in dem ich ihnen das Geld gebe, und sie können ?Übereinstimmendes? [unsichere Transkription] zahlen. Also einfach eine Schaltstelle. Und damit würde das Geld nicht einfach überwiesen, sondern es würde vom Arbeitgeber, man muss sich also aufmachen, ausgegeben. Und dort, wo kein Arbeitgeber vorhanden ist, weil keine Arbeit angeblich gefunden werden kann, wird das Ganze die Kommune übernehmen und kann dann über Modelle, wie wir sie auch haben, kommunale Arbeit, gemeinnützige Arbeit, oder auch Vermittlung hin zu Betrieben unternehmen. Wir sind ja sowieso dafür, dass optierenden Kommunen, also die Kommunen da stärker in Verantwortung gehen. Also das wäre so ein Weg, diese Bedingungslosigkeit auszubringen. …

Das ist erstaunlich, denn damit wäre die Pointe eines bedingungslosen Grundeinkommens – seine Bedingungslosigkeit – preisgegeben und damit auch die Lösung für den über 125 jährigen säkularen Trend zum sinkenden Arbeitsvolumen, der das Normalmodell Erwerbsarbeit infragestellt. (Über diesen Trend täuscht man sich gerne mit Verweis auf die heutige Rekordhöhe der Erwerbstätigenzahl hinweg). Althaus hat das bedingungslose Grundeinkommen selbst lange unter anderem als Antwort auf diese Krise verstanden. Eine Lösung für diese stellt es aber nur dann dar, wenn das infragegestellte Normalmodell der Erwerbsarbeit aufgegeben wird, indem der anachronistische allgemeine Zwang zur Erwerbsarbeit durch ein bedingungsloses Grundeinkommen aufgehoben wird, so wie es sich schon Max Weber latent wünschte, wenn er in seinem berühmten Aufsatz „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ mit nicht zu überhörendem Bedauern schrieb:

„Der Puritaner wollte Berufsmensch sein, – wir müssen es sein. Denn indem die Askese aus den Mönchszellen heraus in das Berufsleben übertragen wurde und die innerweltliche Sittlichkeit zu beherrschen begann, half sie an ihrem Teile mit daran, jenen mächtigen Kosmos der modernen, an die technischen und ökonomischen Voraussetzungen mechanisch-maschineller Produktion gebundenen, Wirtschaftsordnung erbauen, der heute den Lebensstil aller einzelnen, die in dies Triebwerk hineingeboren werden – nicht nur der direkt ökonomisch Erwerbstätigen -, mit überwältigendem Zwange bestimmt und vielleicht bestimmen wird, bis der letzte Zentner fossilen Brennstoffs verglüht ist. Nur wie »ein dünner Mantel, den man jederzeit abwerfen könnte«, sollte nach Baxters Ansicht die Sorge um die äußeren Güter um die Schultern seiner Heiligen liegen. Aber aus dem Mantel ließ das Verhängnis ein stahlhartes Gehäuse werden.“ (Max Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie I, S. 203)

Da Althaus bereits frühzeitig im Hinblick auf die Bedingungslosigkeit seines Bürgergelds Kompromissbereitschaft signalisiert hat, ist ernsthaft zu befürchten, dass der Ausgang der Kommissionsarbeit tatsächlich darauf hinausläuft, sein Bürgergeld zu „kastrieren“ und weitgehend mit dem im geistigen Kern doch völlig anders gearteten FDP-Modell oder mit Bürgerarbeitskonzepten wie dem oben genannten zu fusionieren. Am Ende bliebe von seinem Modell nichts Wesentliches mehr übrig.

Man kann es sich an dieser Stelle natürlich einfach machen und sagen, man habe es immer schon gewusst. Althaus sei ein „Neoliberaler“, der nun bezeichnenderweise das Gute an seinem Modell, die Bedingungslosigkeit, preisgebe, um mit der FDP zusammenzugehen. Damit macht man es sich aber sicherlich ein bisschen zu einfach. Der Grund für Althaus‘ Einlenkungsbereitschaft dürfte nämlich nicht darin liegen, dass er die Bedingungslosigkeit nicht zu schätzen weiß. Wäre das der Fall, hätte er sie ja gar nicht erst in sein Konzept hineinschreiben müssen. Der Grund dürfte vielmehr sein, dass ihm die Unterstützung für den Grundeinkommensgedanken noch nicht so breit zu sein scheint, dass das Konzept mehrheitsfähig wäre. Zudem ist Althaus ein regierungserprobter Politiker, und als solcher muss er im Zweifelsfall zu Kompromissen bereit sein. Man muss sich an dieser Stelle folgendes klar machen: Althaus hat sich mit seinem Bürgergeldmodell für einen regierenden Politiker ohnehin schon sehr sehr weit in einer Sache vorgewagt, für die aktuell noch die Mehrheiten fehlen. Die Öffentlichkeit allererst für zukunftsweisende Reformvorschläge zu gewinnen, ist aber nicht in erster Linie die Sache von Politikern, die man mit dieser Aufgabe überfordern würde, weil sie zugleich auf die Beschaffung von Mehrheiten achten müssen. Es ist klassischerweise die Aufgabe von ihre Unabhängigkeit pflegenden „Intellektuellen“. Das Problem ist allerdings, dass es einen gültigen zeitdiagnostischen Diskurs von Intellektuellen in der Öffentlichkeit weiterhin nur sehr eingeschränkt gibt. Stattdessen treibt die journalistische Verwahrlosung und Deformation der Öffentlichkeit mit Sendungen wie dem TV-Duell der Kanzlerkandidaten neuen Blüten. Wenn Althaus am Ende der Kommissionsarbeit seinen Bürgergeldvorschlag nicht in die offizielle Programmdiskussion der CDU überführen kann, sondern vielmehr zur Gesichtswahrung im Kern opfert und gegenüber gänzlich andersgearteten Modellen öffnet, so lenkt dies nur die Aufmerksamkeit erneut darauf, worauf es bei der Grundeinkommensdebatte ohnehin an erster Stelle ankommt: Darauf, dass die öffentliche Diskussion zum Grundeinkommen als autonome Veranstaltung von Bürgern und unabhängiger Intellektueller voranschreitet. Götz W. Werner ist natürlich recht zu geben, wenn er gebetsmühlenartig betont, dass der Grundeinkommensgedanke zuerst von der Mehrheit der Bürger angeeignet werden muss, bevor an eine politische Realisierung zu denken ist. Und diesbezüglich dürfte die Veröffentlichung der Ergebnisse der CDU-Kommission zum Bürgergeld den Grundeinkommensbefürwortern eine weitere beachtliche Gelegenheit liefern, die Diskussion voranzubringen und zu erweitern.

Althaus:
Bei den Grünen gibt es eine große Richtung, die sich dort mit diesem Thema verfasst, man kann fast sagen, so halb halb. Die Hälfte der Grünen will so ein Modell, die andere Hälfte schwankt noch, ob sie so ein Modell will. Bei der SPD gibt es keine Bewegung in dieser Richtung, nicht jedenfalls in der Spitze. An der Basis gibt es viele Leute, die aktiv mitdiskutieren. Und in der Union wie gesagt hab ich jetzt diese Arbeitsgruppe auf Bundesebene übernommen, um da auch eine Reihe von Politikerinnen und Politikern zu integrieren, aus Ländern, aus dem Bund, Bundestag und eben auch Wissenschaft. Also ich hab alle Wirtschaftsforschungsinstitute mit dabei, damit das dann auch eine breite Akzeptanz bringt, eh ein solches System dann in die politische Umsetzungsdiskussion geht.

In der Tat schreitet auch in den Parteien die Diskussion mit großen Schritten voran und dürfte angesichts des Wahlausgangs mittlerweile auch dem letzten SPD-Politiker dämmern, dass im Hinblick auf Schröders Agenda 2010 ein Weiter so die Partei ins geschichtliche Abseits führt, sodass auch hier nun eine stärkere Öffnung gegenüber dem Grundeinkommenskonzept möglich wird. Bei den Grünen lässt sich anschaulich studieren, wie eine Basis bereits längst mehrheitlich das Grundeinkommen unterstützt, darüber allerdings wie ein Deckel auf einem gärenden Topf das alte Parteiestablishment mit seinem überkommenen Denken gluckt. Das ist auch in anderen Parteien so, wenn vielleicht auch nicht so ausgeprägt wie bei den Grünen.

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