Grundeinkommen statt schuldenfinanziertes Wirtschaftswachstum

Die USA wurden vor der Zeit der Finanzkrise oft ziemlich unkritisch als Land einer erfolgreichen Beschäftigungspolitik gepriesen, das die Möglichkeit niedriger Arbeitslosenraten beweise. So auch vom prominenten Ökonomen Hans-Werner Sinn, der zwar „ungesunde“ Entwicklungen in diesem Land bereitwillig einräumte, sie aber aus seiner Beurteilung der Beschäftigungspolitik einfach ausklammerte, wie z. B. in der wenige Monate nach der Bundestagswahl von 2005 abgehaltenen öffentlichen Diskussion mit Jeremy Rifkin zum Thema „Das Ende der (bezahlten) Arbeit?“, die vom Wahlsieger CDU veranstaltet wurde (vgl. meinen Artikel von 2008). Rifkin hat in dieser Diskussion darauf hingewiesen, dass das von Sinn gepriesene „Beschäftigungswunder“ der USA (ante Finanzkrise) maßgeblich auf einer Politik des schuldenfinanzierten Wirtschaftswachstums basiere, aber Sinn war dadurch nicht dazu zu bewegen, dies in seine Beurteilung aufzunehmen.

Wie fatal diese Ignoranz sowohl in analytischer wie auch praktischer Hinsicht ist, zeigt ein Artikel des amerikanischen Finanzanalysten Lance Roberts auf, der den Zusammenhang von Schuldenentwicklung und Wirtschaftswachstum zum Gegenstand hat. Roberts präsentiert dort Grafiken, die dokumentieren, dass die Wirtschaft, von der auch die Beschäftigung abhängt, in den USA bis zum Jahr 1982 schneller gewachsen ist als die Schulden. Seitdem verhält es sich umgekehrt! Die Schulden wachsen schneller als die Wirtschaft, deutlich schneller (vgl. diese Grafik). Das zeigt auch die Entwicklung des „schuldenfreien Bruttoinlandsprodukt-Wachstums“ (Debt Free GDP Growth), also des Wirtschaftswachstums abzüglich des schuldenfinanzierten Wirtschaftswachstums. Bis 1982 ist dieses Wirtschaftswachstum noch positiv, danach sinkt aber die Kurve ins Minus, und zwar zunehmend steiler (vgl. die oben schon genannte Grafik). Die USA müssen also die wenigen Prozente an positivem Wirtschaftswachstum im Jahr zunehmend durch ein Vielfaches an Schulden stützen und subventionieren. Roberts:

„Prior to 1980 it took on average, beginning with 20 cents in 1952 and rising to 80 cents at the end of 1980, 37 cents of debt to finance $1 of GDP. Today, that same $1 dollar of GDP growth requires a little more than $4 dollars to finance it. That’s right – $4 of debt to finance $1 of GDP.“ (Lance Roberts, „Why 4% GDP Will Remain Elusive“, 20.03.2012, URL)

Eine absurde Entwicklung, die das von Obamas Kabinett anscheinend projektiv eingeplante zukünftige Wirtschaftswachstum von 4 Prozent infrage stellt. Denn der von Roberts dargestellten Logik zufolge müsste dazu dann wiederum ein Vielfaches an neuen Schulden gemacht werden. Dies ruft wieder mal danach, sich endlich von Erwerbsarbeit als Normalmodell zu verabschieden, denn was sonst motiviert Politiker dazu, seit nun gut 30 Jahren zu immer höheren Kosten das Wirtschaftswachstum zu subventionieren? Ohne ein Grundeinkommen ist ein solcher Abschied strukturell unmöglich, mit ihm eröffnen sich völlig neue Alternativen, auch des Wirtschaftswachstums, wage ich zu behaupten, eines Wirtschaftswachstums, das wegen dieser Befreiung vom strukturellen Zwang, dadurch Arbeitsplätze sichern und schaffen zu müssen, in ökologischer und konsumbezogener Hinsicht vernünftig ist. Wirtschaftswachstum bedeutet nämlich nicht automatisch ökologischer Raubbau und Konsumismus.

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